Gerade jetzt in Zeiten von Covid 19 zeigt sich, welche Wirkung Sprache auf uns hat.
Die Art und die Wortwahl der Berichterstattung haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie das Phänomen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die grundlegenden und einschneidenden Veränderungen unseres gewohnten Lebens schlägt sich auch in der Sprache nieder. Sprache prägt unser Denken und natürlich auch unser Handeln, unser Verhalten. Unser Leben verändert sich und in der Folge verändert sich die Sprache. Außerdem hören wir von Begriffen, die uns bisher in unserer Alltagssprache völlig fremd waren.
Werfen wir einen Blick auf die Rhetorik der PolitikerInnen und BerichterstatterInnen. Oft hören wir in Zusammenhang mit Corona das Wort Krieg: „Wir sind im Krieg“, Wir führen einen „Krieg gegen Viren“. Die Rede ist auch vom „Killervirus“. Diese martialische und dramatische Ausdrucksweise soll den Ernst der Lage versinnbildlichen. Die Gefahr wird als noch bedrohlicher wahrgenommen; Ängste und Verunsicherung werden geschürt. Der Grat zwischen einer notwendigen Dramatisierung, um eine breite Masse der Bevölkerung zu sensibilisieren, ohne aber gleichzeitig Hysterie und Panik zu verbreiten, ist recht schmal. Es ist also notwendig, dass die Leute, die in den Medien auftreten, ihre Worte mit Bedacht wählen. Die Bezeichnung des Virus als „Wuhan virus“ oder „Chinese virus“ verdeutlicht einmal mehr, über welche Macht Sprache verfügt.
Das Schlagwort schlechthin, das mittlerweile Klein und Groß ein Begriff ist, heißt social distancing. Im Deutschen wird dieser Begriff üblicherweise mit „soziale Distanz“ übersetzt. Diese Übersetzung aus dem Englischen ist nicht ganz geglückt. Der englische Begriff social impliziert gesellig. Sozial im Deutschen hat jedoch eine andere Konnotation. Man denke nur an soziales Engagement. Das impliziert Engagement für Schwächere. Soziale Distanz – Distanzierung von Schwächeren? Vielleicht wäre „physische Distanz“ eine bessere Übersetzung. Solche Überlegungen sind für Dolmetscher und Übersetzer zwar typisch, mögen Anderen aber egal sein. Dennoch sind sie ein gutes Beispiel dafür, wie lebendig und komplex Sprachen sind.
Eine Folge von social distancing ist das Arbeiten im home office. Dabei soll kurz angemerkt werden, dass Home Office in Großbritannien die Bezeichnung für das Innenministerium ist. Der Home Secretary ist der Innenminister. Es ist aber nicht so, dass die deutsche Sprache keinen Ausdruck für das Arbeiten von zuhause kennen würde. Wer denkt aber sofort an Videokonferenzen von daheim, wenn er/sie das Wort „Heimarbeit“ hört? Anscheinend sind diese „denglischen“ Begriffe oft nötig, um Situationen und Phänomene zu beschreiben, die es in dieser Form vorher noch nicht gab.
Wörter, die wir vor Corona selten bis gar nicht gehört haben, nun aber immer wieder in Zeitung und Fernsehen auftauchen, sind Fachbegriffe wie Lockdown, Durchseuchung oder Übersterblichkeit.
Heißdiskutiert wird auch immer wieder die folgende Frage: Der oder das Virus. In der Fachsprache ist von DAS Virus die Rede. Die Umgangssprache tendiert eher zu DER Virus. Ebenfalls umstritten ist die korrekte Aussprache von Quarantäne. Wie heißt es nun wirklich? Kwarantäne oder Karantäne. Der Duden hat hier eine eindeutige Meinung und legt die Aussprachevariante Karantäne fest. Dennoch hört man sowohl in Deutschland als auch in Österreich vielerorts Kwarantäne. Sprachwissenschaftler gehen der Frage nach, in welchen Regionen des deutschsprachigen Raums eher die eine oder die andere Variante häufiger verwendet wird.
Im Zuge der Krise entstanden auch neue Wörter, wie zum Beispiel Immunitätsausweis, Öffnungsdiskussionsorgie oder Spuckschutzscheibe! Bis vor kurzem hätte man sich unter einer Corona-Party etwas durchaus Nettes vorgestellt. Heute hat der Begriff eine gänzlich andere Bedeutung. Weitere Wortschöpfungen in Zeiten von Corona sind Corona-Supergau, Corona-Bond Corona-Stillstand, Corona-Hotspot, um nur einige zu nennen.
Die Krise hinterlässt zweifelsohne viele Spuren in unserer alltäglichen Kommunikation. Verabschiedet man sich von einem Freund, sagen wir heute eher „Bleib gesund“ anstatt wie früher „Man sieht sich“.
Ein weiteres Phänomen sind die zahlreichen Memes, die in den sozialen Netzwerken im Umlauf sind. Humor ist ein probates Mittel zur Krisenbewältigung und ein willkommenes Gegengewicht zur eingangs erwähnten drastischen Sprache in Zeiten der Krise.
Übersetzer und Dolmetscher haben ein natürliches und berufsbedingtes Interesse an Sprachen. Wir beobachten mit Spannung, welche Spuren das Phänomen Corona in unseren Sprachen hinterlässt.
Wir sind schon neugierig darauf, welche Corona-relevanten Begriffe es heuer in die Hitliste zur Wahl des Wortes des Jahres 2020 schaffen werden!