Der Übersetzeralltag stellt uns immer wieder vor verschiedene Herausforderungen, die es zu überwinden gilt. Oft sind es knifflige Fachausdrücke oder geschachtelte Sätze, die keinen Anfang und kein Ende zu haben scheinen. Manchmal stoßen wir auch auf Dialektausdrücke aus der Alltagssprache, die man nur schwer im Wörterbuch nachschauen kann. Hier wird schnell klar, dass es für den Übersetzer nicht ausreicht, die Sprache nur auf einer akademischen Ebene zu betrachten. Erst, wenn man eine Weile im Ausland gelebt hat, den Leuten auf den Mund schaut und sich intensiv mit der Kultur auseinandersetzt, kann man alle Aspekte einer Fremdsprache erfassen. Mundarten sind ein wesentlicher Teil der Kultur und der Identität von Sprechern. Diese Überlegungen geben uns Anlass, den lokalen Dialekt ein wenig zu beleuchten. Gleich vorweg sei bemerkt, dass die hier aufgezählten Begriffe und Redewendungen nur ein kleiner Einblick in die schier grenzenlose Welt der Wiener Mundart darstellen, wie man sie auch heute noch auf Wiens Straßen hört. Die Liste ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen…
Der Wiener Dialekt ist sehr blumig, facettenreich und kreativ, wenn auch manchmal ein wenig „zungenschwer“. Die Gründe, warum unser Dialekt gar so reichhaltig und vielfältig ist, liegt mit Sicherheit in der Geschichte der Stadt Wien, die als Hauptstadt der Habsburgermonarchie lange Zeit ein Schmelztiegel verschiedener Sprachgruppen war, die alle Spuren hinterlassen haben. So finden sich im Wiener Dialekt etliche Ausdrücke wieder, die aus dem Jiddischen stammen wie zum Beispiel Zores (Sorgen) oder Hawara (Freund). Lawua (Waschschüssel) und Pompfinebrer (Bestatter) sind Verballhornungen der französischen Begriffe Lavoir und pompes funèbres, die aber beide begrifflich ziemlich ausgedient haben und heute kaum noch zu hören sind. Man sagt den Wienern nach, dass sie eine besondere Einstellung zum Sterben haben. Wenn dem so ist, hat sich diese Einstellung in der Sprache niedergeschlagen. Uns ist kein anderer Dialekt bekannt, der so viele blumige Ausdrücke fürs Sterben parat hat: agrotzn (abkratzen), aushuastn, a Bangl reißn, die Potschn strecken oder den Holzpiyama anziagn, …. der Wiener legt halt Wert auf a schene Leich!
Auch Schimpfen geht ganz hervorragend auf Wienerisch: Vollholla, Gfrast oder auch gerne Gfrastsackl, Gschissener, Oida (was manchmal auch nett und freundschaftlich gemeint sein kann) oder der Damen vorbehaltene Ausdruck Blöde Blunzn – und hier machen wir mal einen Punkt, um nicht zu sehr ins Vulgäre abzugleiten – und glauben Sie mir, da ginge noch was! Wiens größter Friedhof ist mit der Straßenbahnlinie 71 zu erreichen, was allgemein bekannt ist. Wenn also jemand zu Ihnen sagt, „I schick di mit’n 71 ham“, dann ist Vorsicht geboten…!
Haben Sie eine Idee, was eine gmahte Wiesn ist? Das heißt, dass etwas ganz leicht zu schaffen ist. Hau di über d’Heisa ist eine Aufforderung mit Nachdruck, zu verschwinden. Schlafengehen heißt auf gut wienerisch sich in d’Hapfn haun. Allerdings frage ich mich, ob es wirklich Wiener gibt, die sich beim Würstlstand ums Eck a Eitrige mit an G’schissenen bestellen. Der Frage auf den Grund zu gehen würde sich doch lohnen. Der echte oder gelernte Wiener weiß, dass damit eine Käsekrainer mit süßem Senf gemeint ist. Dem Touristen mag hier eher der Appetit vergehen. Da hilft auch das knusprige Scherzl (Brotanschnitt) nicht, das hervorragend zur Käsekrainer schmeckt und hierzulande auch Bugl genannt wird!
Der Wiener geht nicht einfach in die Arbeit, sondern in die Hackn, um dort eben zu hackeln. Ist man seinen Job los, ist man hacknstaad! Wer überhaupt nicht so fürs Arbeiten gemacht ist, wird in Wien als Owezahrer bezeichnet. Ein Gschaftlhuaba macht sich gerne wichtig. Ein Negerant (mittelloser Mensch) ist das Gegenteil vom G’stopftn (reicher Mensch). Letzter ist nicht zu verwechseln mit dem G’fülltn, der ein paar Kilos zu viel mit sich herumträgt.
Wenn jemand einen Damenspitz hat, dann ist er nicht mehr ganz nüchtern, aber noch lange nicht fett wia a Blunzn, auf jeden Fall aber gutgelaunt!
Die Wiener Mundart hätte noch viel zu bieten. Für den Moment samas aber (soll heißen, wir sind hier mal fertig!) und sagen Baba (Tschüß)!