Das Salz in der Suppe des Dolmetschers oder welche Hürden das Dolmetscherleben interessant machen …
Die Dolmetscherei ist keine einfache Profession. Hat man erst einmal die fordernde Ausbildung gemeistert, sieht man dann nach und nach, welche Herausforderungen es im beruflichen Alltag zu überwinden gilt.
Diese Hindernisse können oft harmlos anmutende Stolperfallen sein, die den Dolmetscher aus seiner Konzentration herausreißen. Wenn sich der Vortragende zum Beispiel vom Mikrofon abwendet und wir ihn nicht gut hören können. Oder wenn der Dolmetschkollege (in einschlägigen Kreisen auch der/die Konkabine genannt) in der Kabine eine Nachricht auf einen Notizzettel kritzelt, die man trotz bestem Willen nicht entziffern kann (Kollegen: Bitte gewöhnt euch an, deutlich zu schreiben!). Und hat man erst kurz den Faden verloren, muss man schnell an den Redefluss des Vortragenden anschließen, ohne sich seine kurze Ablenkung anmerken zu lassen. Ein routinierter Dolmetscher lässt sich aber nicht so leicht aus der Fassung bringen, und schon gar nicht ablenken, nicht einmal von den Delegierten, die sich justament direkt vor die Kabine stellen und uns die Sicht verstellen. Auch Schnellredner, die alles vom Blatt ablesen, sind nicht nur für Dolmetscher mühsam, sondern auch für alle anderen, die einem solchen Speaker zuhören wollen. Aber auch eine zu langsam vorgetragene Rede stellt uns vor die Herausforderung, am Ende des Satzes den Satzanfang noch gut in Erinnerung zu haben. Redner sollten, zum Wohle aller Beteiligten, sich bewusst sein, dass sie gedolmetscht werden und dem Rechnung tragen.
Gut, dass man beim Simultandolmetschen meistens abgeschirmt in der Kabine arbeitet. Die Dolmetschkabine bietet nicht nur Schallschutz, sondern ist auch ein abgeschlossener Ort, was der Konzentration sehr zuträglich ist – zumindest solange, bis der ganze Sauerstoff aufgebraucht ist!
Simultandolmetschen findet nicht nur in der Kabine statt: In vielen Fällen wird ohne Kabine mithilfe eines sogenannten Dolmetschkoffers gearbeitet. Ein anderer Name für dieses Hilfsmittel ist Flüsterkoffer und der Name ist Programm: Da man keine schallgeschützte Kabine um sich hat, sondern irgendwo im Saal sitzt, soll die Übersetzung tunlichst nur geflüstert werden, um die Sitznachbarn nicht zu stören. Leider ist auch der arme Dolmetscher durch andere gestört, die neben, vor oder hinter ihm ungeniert tratschen, was weder für die Konzentration, noch für das akustische Hören ein Vorteil ist.
Beim Konsekutivdolmetschen, wie es bei Gesprächen üblich ist, wird wiederum anders gearbeitet. Hier macht sich der Dolmetscher seine Notizen, während die zu dolmetschende Person spricht. Am Ende der Wortmeldung, die je nach Sprecher länger oder kürzer ausfallen kann, übersetzt der Dolmetscher das Gesagte mithilfe seiner Notizen. Dolmetscher schreiben nicht in Kurzschrift mit, sondern bedienen sich einer eigenen Notiztechnik, die mit Kürzeln und Symbolen arbeitet. Diese Notiztechnik wird im Zuge der Ausbildung vermittelt und dann von jedem Dolmetscher nach Lust und Laune verfeinert und individualisiert. Die Kunst hierbei ist, nicht zu viel und nicht zu wenig zu notieren. Das lehrt einem die Erfahrung.
Vor einer wirklichen Herausforderung steht man, wenn man sich nicht sicher ist, ob man das Gesagte richtig verstanden beziehungsweise der Redner das wirklich so gesagt hat. Ein Beispiel gefällig? Nach einem vernichtenden Erdbeben in Süditalien vor einigen Jahren hat der damalige Premier Berlusconi die Zeltstadt, in der die Opfer des Bebens untergebracht waren, mit einem Campingurlaub verglichen. In solchen Situationen kann es schon mal sein, dass der Dolmetscher zweifelt, alles richtig verstanden zu haben und seinen Ohren nicht traut.
Und dass der Dolmetscher alles übersetzt, was gesagt wird, ist ja schließlich seine Aufgabe. Eine falsche Übersetzung muss zwar nicht gleich den 3. Weltkrieg auslösen, kann aber bei politisch brisanten Themen dennoch schwerwiegende Folgen haben oder ein Geschäft zum Platzen bringen.
Eine weitere schwierige Situation stellen erhitzte Diskussionen dar, wo alle wild durcheinanderreden. Auch mit dem Temperament eines Vortragenden muss man klarkommen. Ein Motivationscoach, der auf der Bühne eine mitreißende Performance abliefert, muss sich auf den Dolmetscher verlassen können. Wenn der Dolmetscher die Worte des Coaches monoton und ohne den Esprit des Vortragenden wiedergibt, wird die Motivation nicht ankommen.
Besonders beliebt unter Dolmetschern sind auch Vortragende, die Ihre Reden gerne mit Redewendungen, Wortwitzen oder gar Bibelstellen ausschmücken. Viele Wortwitze können aufgrund der unterschiedlichen Natur der Sprachen überhaupt nicht übersetzt, sondern höchsten erklärt werden. Da geht der Witz verloren und es braucht außerdem zu viel Zeit. Auch für Redewendungen gibt es nicht immer eine passende Übereinstimmung in der Zielsprache.
Was der Dolmetscher, neben seinen vielen anderen Kompetenzen zweifelsohne auch braucht, ist Fingerspitzengefühl. Der Dolmetscher schlägt Brücken: Er muss sich der verschiedenen religiösen, kulturellen oder traditionellen Ansichten bewusst sein, die in den verschiedenen Zielgesellschaften vorherrschen. Besonders im Asylwesen fungiert der Dolmetscher als intrakultureller Vermittler. Es gibt Kulturen, in denen es als ungebührlich angesehen wird, einer Autoritätsperson in die Augen zu sehen. Hierzulande könnte das leicht missverstanden wären. Der intrakulturelle Vermittler macht darauf aufmerksam und vermittelt zwischen den Kulturen.
Besondere Sorgfalt ist auch bei Dolmetschungen im medizinischen Bereich erforderlich. Der Dolmetscher darf nichts verschweigen, verändern oder hinzufügen, wie es Familienangehörige unter Umständen machen würden. Hier ist wirklich der professionelle Dolmetscher gefragt, der außerdem auch in der Fachterminologie sattelfest ist.
Last but not least: Die meisten Aufträge sind interessant und stellen durchaus eine Bereicherung dar, da wir dank unseres Berufes mit den unterschiedlichsten Themen, Bereichen, Menschen und Situationen zu tun haben. Nicht alles ist aber immer nur schön: Manchmal können Situationen auch belastend sein. Hier ist es umso wichtiger, ein unparteiischer Dritter zu bleiben, der mit einer gesunden professionellen Distanz an die Sache herangeht – freilich ohne seine Empathie zu verlieren!